Wir wissen seit rund drei Jahrzehnten, dass die Bestrahlung der Brust nicht nur das Rezidivrisiko senkt, sondern auch die Brustkrebsmortalität, wenngleich sie Jahre später potentiell kapitale kardiale Ereignisse verursachen mag. Das Gleichgewicht von Nutzen und Schaden ist im Besonderen relevant für die Bestrahlung der Lymphabflusswege der Vasa mammaria interna, wo die Patienten gewöhnlich ein höheres Rezidivrisiko haben, was dem höheren Staging der Erkrankung geschuldet ist – dabei können jedoch die Herzdosen wegen der kurzen Distanz zur Lymphknotenkette der Vasa mammaria interna höher sein. Ungewissheit bezüglich des therapeutischen (Effekts) rief klinische Studien auf den Plan, die regional-nodale Radiotherapie (inklusive der LK um die Vasa mammaria int.) prüften – drei davon reichten ihre Ergebnisse 2015 ein.
Im „The Lancet Oncology“ berichten Philip Poortmans und Kollegen über die 15 Jahres Ergebnisse (ihrer Studie), die die Bestrahlung der Mammaria int. Und der medialen supraklavikulären Lymphabflusswege auswertet (IM-MS Bestrahlung), wobei sie ihre Publikation von 2015 auf den neuesten Stand bringen. (In die Studie) einschließbare Patienten waren 75 Jahre alt oder jünger mit Adenokarzinomen der Brust im Stadium I-III entweder mit lateralen Tumoren und positivem axillären LK Befall oder aber mit medial oder zentral lokalisiertem Tumor unabhängig vom LK Befall. Von den 4004 Patienten, welche zwischen 1996 und 2004 registriert wurden, wurden 2002 per Zufall einer IM-MS (Mammaria int. u. mediale supraklavikuläre LK) Bestrahlung zugeteilt (Interventionsgruppe) welche in Form von 25 Fraktionen zu je 2Gy erteilt wurde, und die anderen 2002 Patienten erhielten keine IM-MS Bestrahlung (Kontrollgruppe). Der primäre Endpunkt war das 10 Jahres Gesamtüberleben, wobei angestrebt wurde einen Zuwachs von 75% auf 79% zu erkennen. (Hazard ratio 0,82)
Bei einem Median von 15,7 Jahren (Interquartilsabstand 14,0-17,6) der Beobachtung (Follow-Up), war das Gesamtüberleben in der IM-MS Bestrahlungsgruppe 73,1% (95% Konfidenzintervall 71,0-75,2) versus 70,9% (68,6-72,9) in der Kontrollgruppe (Hazard ratio 0,95 Konfidenzintervall 0,84-1,06; p=0,36); Das krankheitsfreie Überleben lag bei 60,8% (58,4-63,2) versus 59,9% (57,5-62,2; 0,93 [0,84-1,03]; p=0,18) und die Brustkrebsmortalität betrug 16,0% (14,3-17,7) versus 19,8% (18,0-21,7;0,81 [0,70-0,94];p=0,0055) Es gab keine signifikanten Unterschiede bei der Inzidenz kardiovaskulärer Todesfälle, Zweitmalignome oder kontralateralem Brustkrebs zwischen den beiden Gruppen.
Wir beglückwünschen die Autoren dieser großangelegten und hochqualitativen Studie. Geplante Zwischenanalysen nach 10, 15 und 20 Jahren liefern Erkenntnisse darüber, wie wichtig Spätfolgen der Radiotherapie sind. Die dabei (damals) verwendeten Techniken der Strahlentherapie mögen (heutzutage) als überholt angesehen werden, aber die stringente Qualitätssicherung bietet die Gewissheit, dass die Bestrahlung auf einem durchgehend hohen Niveau erfolgte. Es ist jedoch enttäuschend, dass dieses Update keinen Vorteil der IM-MS Bestrahlung auf das Gesamtüberleben zeigt. Eine mögliche Erklärung hierfür liegt in der relativ geringen Ereignisrate angesichts der Tatsache, dass eine günstigere Risikogruppe für diese Studie rekrutiert wurde im Vergleich zu der MA.20 Studie und den Studien der Dänischen Brustkrebsgesellschaft. Die dänische Studie hatte die Population mit dem höchsten Risiko und zeigte eine signifikante Verbesserung sowohl im Gesamtüberleben als auch bei der Brustkrebsmortalität bei Bestrahlung der Lymphabflusswege der Vasa mammaria interna mit einem Median von 8,9 Jahren im Follow-Up. Der größte absolute Gesamtüberlebensvorteil war bei Patienten mit N2 Tumoren.
Das 10 Jahres Gesamtüberleben war in der EORTC Studie besser als erwartet, die statistische Power zur Feststellung eines Unterschieds wurde reduziert (74% Power für Hazard ratio 0,82 unter Verwendung der beobachteten Rate in der Kontrollgruppe) Dies ist ein verbreitetes Problem bei Brustkrebsstudien, die nach Jahren nach dem initialen Studiendesign berichten.
Die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem mangelnden Gesamtüberlebensvorteil (auf der einen Seite) trotz eines signifikanten Unterschiedes bei der Brustkrebsmortalität (auf der anderen Seite) könnte teilweise dadurch erklärt werden, dass Informationen zur Todesursache fehlen, was nur ein Problem für die ursachenspezifische Überlebensanalyse darstellt. Üblicherweise schreiben Analysen Todesfälle, die auf Metastasen folgen (oder beim Vorhandensein derselben) dem Brustkrebs (als Ursache) zu. Rund 12,5% der Todesfälle in der IM-MS Bestrahlungsgruppe hatten eine ungeklärte Todesursache verglichen mit 7,2% in der Kontrollgruppe. Falls die unbekannten Todesursachen meist auf Brustkrebs ursächlich zurückzuführen wären, wäre der Unterschied in der Brustkrebsmortalität niedriger, was auch die Signifikanz reduzieren würde.
Auf den ersten Blick mögen wir angesichts des Fehlens eines signifikanten Unterschieds bezüglich später (er symptomatischer) kardialer Toxizität bestärkt werden (in der Bestrahlung), es ist jedoch fraglich, ob selbst eine Studie mit 4004 Patienten über die statistische Power verfügt, einen Unterschied in diesen wichtigen, aber relativ seltenen schweren kardialen Ereignissen festzustellen. Hinzu kommt, dass wir wissen, dass kardiale Toxizität sich noch Jahrzehnte nach der Bestrahlung manifestieren kann.
Die „Early Cancer Trialists´ Collaborative Group“ arbeitete eine zwischenzeitliche Metaanalyse von randomisierten Studien aus, die die Bestrahlung von regionären Lymphknoten (inklusive derer um die Vasa mammaria interna) zu untersuchen, wobei die Studien unterteilt wurden in solche, die (einerseits) zwischen 1961 bis 1978 begannen und (andererseits) jene, die nach 1989 begannen. Dabei zeigten die älteren Studien, dass die regionäre Lymphknotenbestrahlung nur einen kleinen Effekt auf die Brustkrebsmortalität hatte, wohingegen die Gesamtmortalität signifikant zunahm. Die neueren Studien hingegen belegten eine signifikant niedrigere Brustkrebsmortalität und Gesamtmortalität. Der proportionale Nutzen der regionären Lymphknotenbestrahlung war in allen Subgruppen ähnlich. Die größte absolute Reduktion der Mortalität jedoch bei Patienten mit vier oder mehr befallenen Lymphknoten! Die Metaanalyse wird mit aktualisierten Daten wiederholt werden und wird ihre Informationen an die internationalen Guidelines der Radiotherapie der Lymphabflusswege um die Vasa mammaria interna weitergeben, da hier aktuell noch eine große Variation in der Eignung vorliegt.
Wie sieht es aus mit der zukünftigen Forschung zum Thema der IM Bestrahlung? Es ist wichtig, international anerkannte Dosisbeschränkungen zu entwickeln, während weiter daran gearbeitet wird, technische Lösungen zu finden, um den therapeutischen Nutzen zu verbessern. Das schließt die Erforschung des potenziellen Nutzens von Protonenstrahltherapie bei jenen Patienten mit ein, bei denen die Therapiepläne selbst mit den besten Photonentechniken nur suboptimal sind.
Übersetzung aus dem Englischen.