Induktionschemotherapie beim Nasopharynxkarzinom

websitebuilder • 26. März 2021

Abstract

 

Hintergrund


Platinbasierte simultane Radiochemotherapie ist die Standardbehandlung für Patienten mit lokoregionär fortgeschrittenem Nasopharynxkarzinom. Die zusätzliche Gabe von Gemcitabine und Cisplatin als Induktionschemotherapie ergab eine vielversprechende Effektivität in Phase 2 Studien.

 

Methoden


In einer randomisiert-kontrollierten sowie parallelisierten Phase 3 Multicenter Studie haben wir die Induktionstherapie mit Gemcitabine plus Cisplatin mit simultaner Radiochemotherapie verglichen mit der reinen Radiochemotherapie (ohne Induktionschemotherapie) Patienten mit lokoregionär fortgeschrittenem Nasopharynxkarzinom wurden hierfür per Zufall der Interventionsgruppe zugewiesen, wo sie Gemcitabine (1g/QM KO an Tag 1 und 8) sowie Cisplatin (80mg/QM KO an Tag 1) je alle drei Wochen für drei Zyklen erhielten sowie eine zusätzliche Radiochemotherapie mit Cisplatin (100mg/QM KO 3 Zyklen alle 3 Wochen und eine intensitätsmodulierte Radiatio). In der Kontrollgruppe erhielten die Patienten nur die letztgenannte Radiochemotherapie ohne die zusätzliche Induktionschemotherapie.

Der primäre Endpunkt war das rezidivfreie Überleben (d.h. Freiheit von lokoregionären Krankheitsrezidiven, Fernmetastasen oder Versterben aus beliebiger Ursache in der intention-to-treat Population). Die sekundären Endpunkte waren das Gesamtüberleben, Behandlungsadhärenz und die Sicherheit.

 

Ergebnisse


Insgesamt wurden 480 Patienten in die Studie eingeschlossen (242 in der Induktionschemotherapiegruppe und 238 in der Standardtherapiegruppe. Bei einem medianen Follow-up von 42,7 Monaten betrug das rezidivfreie Überleben nach drei Jahren in der Induktionschemotherapiegruppe 85,3% und 76,5% in der Standardtherapiegruppe. (Stratifizierte hazard ratio für Rezidive oder Todesfälle, 0.51; 95% confidence interval [CI], 0.34 to 0.77; P = 0.001). Das Gesamtüberleben nach drei Jahren betrug in der ICT Gruppe 94,6% und 90,3% in der Kontrollgruppe beziehungsweise stratifizierte hazard ratio für das Versterben, 0.43; 95% CI, 0.24 to 0.77.

96,7% der Patienten der ICT Gruppe komplettierten alle drei Zyklen der ICT. Die Inzidenz akuter Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 betrug 75,7% in der ICT Gruppe und 55,7% in der ST Gruppe mit einer höheren Inzidenz von Neutropenie, Thrombozytopenie, Anämie, Übelkeit und Erbrechen in der ICT Gruppe. Die Inzidenz toxischer Spätfolgen vom Grad 3 oder 4 betrug 9,2% in der ICT Gruppe und 11,4% in der ST Gruppe

Fazit



Die Induktionschemotherapie als Ergänzung zur Radiochemotherapie verbessert verglichen mit der reinen Radiochemotherapie das rezidivfreie Überleben und ebenso das Gesamtüberleben signifikant bei den Patienten mit lokoregionär fortgeschrittenen Nasopharynxkarzinomen

 

Das Nasopharynxkarzinom ist ein Kopf-Hals Tumor mit einer spezifischen geographischen Verteilung. Es betraf im Jahr 2018 schätzungsweise 130.000 Patienten weltweit, wobei es am häufigsten in Gegenden Süd-Chinas, Südostasiens und Nordafrika auftritt. Mehr als 70% der Patienten erhalten die Diagnose eines lokoregionär fortgeschrittenen Tumors bei der ersten Vorstellung, wobei in dieser Untergruppe mit ungünstiger Prognose die gleichzeitige Radiochemotherapie mit einem platinbasierten Agens das Rückgrat der Behandlung darstellt, wobei hierbei die Chemotherapie den Tumor für die toxische Wirkung der Radiatio sensibilisieren soll. Fernmetastasen sind die häufigste Rezidivmanifestation, was die krebsspezifische Mortalität bei ca. 70% der Patienten erklärt.

Der Zusatz einer Chemotherapie als Induktion oder als neoadjuvantes Regime zur Radiochemotherapie wurde bisher mit unterschiedlichen Ergebnissen erforscht. Die Toxizität der systemischen Therapie nach der Radiochemotherapie bleibt ein relevantes Problem. Der Nutzen der ICT wird von den Langzeitergebnissen randomisiert kontrollierter Studien gestützt, bei welchen Docetaxel, Cisplatin und Fluorouracil zur RCT bei Patienten mit lokoregionär fortgeschrittenen NPC ergänzt wurden; diese Patienten hatten ein prolongiertes Gesamtüberleben mit diesem Therapieregime. Vorherige Phase 2 Studien haben gezeigt, dass die Kombination aus Gemcitabine und Cisplatin eine effektive CT bei Patienten mit NPC darstellt und es hat sich diese als Erstlinientherapie der Wahl für Patienten mit Rezidiven oder Metastasen im Krankheitsverlauf etabliert - noch vor der Kombination von Cisplatin und Fluorouracil.

Im Kontext erstmalig diagnostizierter, nicht-metastasierter, aber lokoregionär fortgeschrittener NPC ist jedoch das Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil einer Induktionstherapie mit Gemcitabine und Cisplatin zur folgenden RCT noch unklar. Wir haben daher eine randomisiert, kontrollierte Phase 3 Multicenter Studie durchgeführt, um die Effektivität und Sicherheit zu erforschen, wenn man Gemcitabine und Cisplatin als ICT der RCT bei Patienten mit lokoregionär fortgeschrittenem NPC voranstellt.

 

Methoden:

 

Diese unverblindete, parallelisierte und randomisierte Phase 3 Studie rekrutierte Patienten aus 12 Krankenhäusern in China. Das für jedes Zentrum zuständige Ethikkomitee gab seine Zustimmung zum Studienprotokoll. Die Studie wurde in Einklang mit den Prinzipien der Deklaration von Helsinki vollzogen sowie den Richtlinien für „Good Clinical Practice“ wie sie durch die ICH (International Conference of Harmonisation) definiert wird. Ein schriftliches Einverständnis wurde von allen Patienten vor Studieneinschluss eingeholt. Die Patienten konnten dieses zu jedem Zeitpunkt nach dem Einschluss wieder zurückziehen und ihre Studienteilnahme beenden, falls eine Krankheitsprogression oder ernsthafte Begleitumstände während der Behandlung aufgetreten waren.

Diese Studie war von den Untersuchern initiiert. Der letzte Autor entwarf, schrieb und implementierte das Studienprotokoll und verwaltete die Studie. Die Studienleiter eines jeden Zentrums sammelten die Daten und stellten sicher, dass diese akkurat und vollständig waren. Einer der Autoren vollzog die statistische Analyse. Niemand, der nicht auch Autor war, trug zum Schreiben des Manuskripts bei. Der erste Autor schrieb den ersten Entwurf des Manuskripts, welcher von allen anderen Autoren überprüft wurde. Alle Autoren stimmten der finalen Version inhaltlich zu. Die Sponsoren der Studie hatten keinen Zugang zu den Daten und waren weder in die Interpretation der Daten involviert noch in die Erstellung und Überprüfung des Manuskripts. Das Pharmazieunternehmen Qilu stellte kostenlos Gemcitabine und Cisplatin zur Verfügung und war nicht in das Studiendesign, Datenakquise, Datenauswertung, oder die Erstellung und Überprüfung des Manuskripts involviert. Der letzte Autor bürgt für die Vollständigkeit und Korrektheit der Daten und für eine studienprotokollkonforme Einhaltung der Studie. Die Einschlusskriterien lauteten wie folgt: Alter zwischen 18 und 64 Jahren, histologische Sicherung eines nicht-keratinisierenden NPC, keine bisher stattgehabte Krebsbehandlung, keine Fernmetastasen, neu diagnostiziertes Stadium III bis IVb (ausgeschlossen waren Untergruppen von Patienten mit niedrigem Risiko für Metastasen, d.h. großvolumige Tumoren ohne LK Beteiligung) die ein Staging gemäß dem System der „American Joint Committee on Cancer Union for international cancer control 7. Auflage“ erhalten haben. Einen Karnofsky Index von mindestens 70% (wobei niedrigere Werte eine größere Behinderung anzeigen) Nicht zuletzt: Eine adäquate hämatologische, renale und hepatische Funktion.

Die Hauptausschlusskriterien waren die folgenden: Patienten mit palliativ intendierter Therapie, Krebs in der Vorgeschichte, vorherige Therapie im Bereich des Nasopharynx oder des Halses mittels Radiatio, Chemotherapie oder chirurgische Maßnahmen, es sei denn letztere seien aus diagnostischen Gründen durchgeführt worden. Ferner: Laktation oder Schwangerschaft, schwerwiegende Begleiterkrankungen.

In dieser Studie waren unter den essentiellen Voruntersuchungen die folgenden zu nennen: Die vollständige Vorgeschichte, eine körperliche Untersuchung, eine hämatologische und biochemische Laboruntersuchung, eine flexible Nasopharyngoskopie, eine histopathologische Diagnose, eine Bildgebung des Nasopharynx und des Halses zum primären Staging mittels MRT oder KM-CT, falls die Patienten eine Kontraindikation gegen die MRT Untersuchung aufwiesen. Das Fernmetastasenstaging wurde mittels CT Thorax und Abdomen sowie einer Skelettszintigraphie durchgeführt. Die Verwendung von 18F Fluordesoxyglucose PET war bei Patienten mit fortgeschrittener LK Beteiligung empfohlen, falls diese klinisch suspekt auf Fernmetastasen waren.

 

Randomisierung und Verblindung

Der Randomisierungsprozess war via Telefon vom Studienzentrum von der Sun Yat-sen Universität aus durchgeführt. Es wurde hierfür ein Computerprogramm herangezogen, um die Zuordnungsliste zu erstellen. Die Randomisierung wurde nach Behandlungszentrum und TNM Klassifikation stratifiziert und die Patienten wurden per Zufall in Viererblöcken im Verhältnis 1:1 so zugeordnet, dass sie entweder drei Zyklen einer ICT plus RCT erhielten oder nur die RCT im Sinne der Standardtherapie. Die Zuweisung der Behandlungsgruppen war nicht verblindet.

 

Intervention

1g /QM KO Gemcitabine an den Tagen 1 und 8, sowie 80mg /QM KO Cisplatin je an Tag 1, beide Medikamente je in drei Zyklen wurden jeweils intravenös appliziert. Cisplatin, welches auch zeitgleich mit der RT gegeben wurde, wurde dann intravenös mit einer Dosis von 100mg /QM KO verabreicht an den Tagen 1, 22 und 43. Details zur Modifikation der Dosierung der Chemotherapie, sowie unterstützende Maßnahmen werden im Anhang ergänzt.

Was die Radiatio anbelangt, so war eine intensitätsmodulierte Technik in beiden Gruppen obligat. Die die Radiatio betreffenden Richtlinien werden ebenfalls im Anhang ergänzt. Es wurde empfohlen, dass die Patienten der ICT Gruppe die RCT binnen 21 bis 28 Tagen nach dem ersten Tag des letzten Zyklus der ICT beginnen sollten.

Die Tumoren wurden unter Verwendung flexibler Nasopharyngoskopie und mittels MRT der Nasopharynx- und Halsregion eine Woche nach der Beendigung der ICT und abermals 16 Wochen nach der RCT untersucht. Wir haben die „Common Terminology Criteria for Adverse Events, Version 4.0“ verwendet, um die akuten toxischen Effekte während der Behandlung zu klassifizieren; die toxischen Spätfolgen der Radiatio wurden wiederum klassifiziert gemäß „Late Radiation Morbidity Scoring Scheme of the Radiation Therapy Oncology Group“ beschrieben.

In den ersten drei Jahren der Nachbeobachtung (Follow-up) wurden alle Patienten im Abstand von je drei Monaten nachuntersucht, danach alle 6 Monate bis zum Tode. Alle Endpunkte wurden von einem dafür zuständigen Arzt untersucht und bestätigt. Feinnadelaspirationen oder Biopsieentnahmen suspekter Läsionen wurden, falls nötig durchgeführt, um eine lokoregionäre Progression oder Fernmetastasen zu bestätigen.

 

Endpunkte

 

Der primäre Endpunkt war das rezidivfreie Überleben, welches definiert wurde durch die Zeit zwischen der Randomisierung bis zum dokumentierten Auftreten eines Krankheitsrezidivs (sei es ein lokoregionäres Rezidiv oder eine Fernmetastase) oder des Todes aus beliebiger Ursache – je nach dem, was zuerst eintrat. Die sekundären Endpunkte beinhalteten das Gesamtüberleben, das fernmetastasenfreie Überleben (Ausbleiben dokumentierter Fernmetastasen oder Tod beliebiger Ursache), lokoregionärem rezidivfreiem Überleben (Ausbleiben dokumentierter lokoregionärer Rezidive oder Tod beliebiger Ursache), so wie das Ansprechen auf die Behandlung, die Behandlungsadhärenz und schließlich die Sicherheit. (Definitionen der Endpunkte werden im Anhang ergänzt). Patienten, bei denen die Nachbeobachtung nicht möglich war, oder bei jenen, die am Ende der Studie noch lebten und weder Fernmetastasen noch lokoregionäre Rezidive aufwiesen, wurden die Daten am Tage der letzten Nachuntersuchung zensiert.

 

Statistische Analyse

 

Die vorliegende Studie zielte darauf ab, zu evaluieren, ob die Zugabe einer ICT das rezidivfreie Überleben im Vergleich zu alleiniger RCT verbessern könnte. Wir schätzen, dass ca. 452 Patienten der Randomisierung im Verhältnis 1:1 unterzogen werden müssten (226 Patienten pro Gruppe), so dass 77 Ereignisse beobachtet werden könnten für die primäre Analyse rezidivfreien Überlebens. Wir schätzten, dass die Studie eine Power von 80% hätte, um eine Hazard ratio für Krankheitsrezidive oder den Tod von 0,52, wobei ein Logrank Test mit einem zweiseitigen Signifikanzlevel von 0,05 verwendet wurde. Ferner nahmen wir an, dass 5% der Patienten im Follow-up verloren gehen würden oder dauerhaft aus der Studie ausscheiden würden. Hieraus ergab sich schlussendlich ein Kollektiv aus 476 Patienten mit je 238 Patienten pro Gruppe.

Effektivitätsanalysen wurden sowohl in der „intention to treat“ als auch der Standardtherapiegruppe durchgeführt. Die Sicherheitspopulation umfasste Patienten, die die Behandlung begonnen hatten in jeder Gruppe. Kaplan Meyer Kurven wurden verwendet, um die „Zeit bis zum Ereignis“ Daten zu präsentieren und die beiden Behandlungsgruppen wurden mittels Logrank Tests, die nach Studienzentrum und TNM Stadium stratifiziert wurden, miteinander verglichen. Das stratifizierte Cox Proportional Hazard Modell mit der Behandlung als einzige Kovariate wurde verwendet, um die Hazard Ratio und das 95% Konfidenzintervall zu berechnen und die Proportional hazards Vermutung wurde mittels Schönfeld Residuen getestet.

Ferner haben wir eine Interaktionsanalyse durchgeführt, um herauszufinden, ob der Effekt der experimentellen Behandlung in unterschiedlichen Subgruppen variierte, welche durch Geschlecht, Alter, Karnofsky Index, Tumorkategorie, LK Status und TNM Klassifikation definiert wurden. Die Interaktionsanalyse wurde durchgeführt mittels eines Tests von Behandlung / Kovariate Interaktion auf Basis einen Cox Proportional-Hazard Modells.

Für jedes Chemotherapeutikum berechneten wir die relative Dosisintensität als die Gesamtdosis, die währende der Behandlung eingenommen wurde geteilt durch die Dosis, wie sie durch das Studienprotokoll vorgegeben war. Die Dosisintensität beider Gruppen wurde verglichen mittels Wilcoxon Rank Sum Test.

Ein unabhängiges Komitee zur Datenüberwachung überwachte die Studie und traf Entscheidungen bezüglich einer möglichen vorzeitigen Beendigung der Studie. Eine Interimsanalyse wurde am 30. Oktober 2016 durchgeführt, als die Studie etwa die Hälfte der erwarteten Fälle von Rezidiven oder Todesfällen (38) erreicht hatte. Um eine Rate von 0,05 für Fehler erster Ordnung über die gesamte Studie aufrecht zu erhalten, wurde die O´Brien-Fleming Grenzmethode verwendet (mit alpha=0,003) zur frühzeitigen Beendigung der Studie. Das Datenüberwachungskomitee überprüfte die Analysen und stimmte der Fortsetzung der Studie zu. Unabhängig davon haben wir ein zentrales Sicherheitsmonitoringkomitee eingerichtet, um unerwartete Nebenwirkungen und behandlungsassoziierte Todesfälle zu überwachen. Die Datenbank wurde am 15. April 2019 geschlossen und wir berichten nun die Überlebens- und Toxizitätsanalysen. Die Analysen wurden erstellt mit SPSS 14.2. Die Rate für Fehler erster Ordnung wurde auf 0,05 gesetzt für den primären Endpunkt und alle Tests waren zweiseitig.

 

Ergebnisse

 

Zwischen Dezember 2013 bis September 2016 haben wir 480 Patienten an 12 Standorten eingeschlossen. Die ICT Gruppe umfasste 242 Patienten und die Standardtherapiegruppe hatte 238 Patienten. Die Charakteristika der Patienten waren am Anfang in beiden Gruppen gut ausgewogen.

Von den 242 Patienten, welche per Zufall der ICT Gruppe zugewiesen wurden (ICT+RCT) begannen 239 (99,8%) die ICT protokollgemäß und wurden in die Sicherheitspopulation inkludiert. Insgesamt zogen sich 3 Patienten aus der Studie vor dem Beginn der Studienbehandlung zurück. (Ein Patient erhielt nur die RCT, zwei andere erhielten eine abweichende ICT und RCT) 231 dieser 239 Patienten (96,7%) beendeten drei Zyklen der ICT, 8 Patienten (3,3%) haben nicht alle drei Zyklen der ICT beendet. (3 erhielten nur zwei Zyklen und 5 nur einen Zyklus) Einmal hatte der Patient die Behandlung abgelehnt, ein anderes Mal gab es eine Krankheitsprogression, und bei den verbleibenden 6 Fällen ergaben sich Nebenwirkungen. 31 der 239 Patienten (13%) hatten Dosisreduzierungen von Gemcitabine oder Cisplatin meist wegen hämatotoxischer Effekte (21 Patienten). Insgesamt betrug die mediane relative Dosisintensität 100% (Interquartilsabstand 100 -100) für Gemcitabine und ebenso für Cisplatin.

In der ICT Gruppe erhielten 234 von 239 Patienten (97,9%) die gleichzeitige RCT nach der ICT und 5 Patienten (2,1%) nicht. Insgesamt 93 Patienten (38,9%) haben 3 Zyklen gelichzeitiger Gabe von Cisplatin vollzogen, 127 (53,1%) zwei Zyklen und 14 (5,9%) nur einen Zyklus.

In der Standardtherapiegruppe erhielten von den 238 Patienten, welche der Randomisierung unterzogen wurden, 237 die protokollgemäße kombinierte RCT und wurden in die Sicherheitspopulation inkludiert. Ein Patient, welcher von dem Studienprotokoll abwich, erhielt wöchentlich Cisplatin. Insgesamt komplettierten 177 von 237 Patienten (74,7%) drei Zyklen der gleichzeitigen Cisplatingabe, 56 (23,6%) erhielten zwei Zyklen und 4 (1,7%) erhielten nur einen Zyklus.

Insgesamt haben 191 von 239 Patienten (79,9%) der ICT Gruppe und 227 von 237 Patienten (95,8%) in der Standardtherapiegruppe mindestens 200mg /QM KO Cisplatin begleitend erhalten. Die mediane Dosisintensität für die begleitende Cisplatingabe, welche alle 3 Wochen verabreicht wurde, lag bei 200mg /QM KO (Interquartilsabstand 200-300) in der ICT Gruppe und 300mg /QM KO (Interquartilsabstand 200-300) in der Standardtherapiegruppe (P<0,001). Die mediane kumulative Dosis von Cisplatin war 440mg /QM KO (Interquartilsabstand 440-540) in der ICT Gruppe; nur 63 von 239 Patienten (26,4%) erhielten die volle kumulative Dosis von 540mg /QM KO.

Was die Bestrahlung anbelangt, so haben alle 239 Patienten der ICT Gruppe protokollgemäß eine intensitätsmodulierte Radiatio erhalten. Die mediane Zeit vom Beginn des letzten ICT Zyklus bis zum Beginn der RCT lag bei 25 Tagen (Interquartilsabstand 22-28) In der Standardtherapiegruppe wurde bei 2 von 237 Patienten (0,8%) die Radiotherapie beendet, weil die Patienten die Behandlung ablehnten. Die Zeit bis zur Beendigung der Strahlentherapie sowie die erhaltenen strahlentherapeutischen Dosen waren ähnlich in beiden Gruppen

 

Effektivität

 

Insgesamt hatten 94,6% der Patienten (226 von 239) ein Ansprechen auf die ICT vor dem Start der RCT; 24 Patienten (10,0%) hatten ein vollständiges Ansprechen und 202 (84,5%) wiesen ein teilweises Ansprechen auf. Nach 16 Wochen nach der Strahlentherapie hatten 97,1% der Patienten (235 von 242) in der ICT Gruppe ein vollständiges Ansprechen sowie 96,6% der Patienten der Standardtherapiegruppe (230 von 238)

Bei der letzten Nachuntersuchung am 15. April 2019 betrug die mediane Follow-up Zeit 42,7 Monate (3,5-65 Monate). Insgesamt 296 von 427 Patienten, die noch am Leben waren (69,3%) hatten dokumentierte Nachuntersuchungen von mindestens 36 Monaten und der letzte Patient, der in die Studie eingeschlossen wurde, hatte eine Follow-up Zeit von 31,2 Monaten.

Wir zeichneten insgesamt 100 Ereignisse von Rezidiven oder Todesfällen auf (20,8% der Patienten aus der gesamten Studienpopulation), davon 37 von 242 Patienten (15,3%) in der ICT Gruppe und 63 von 238 (26,5%) in der Standardtherapiegruppe. Details bezüglich der Rückfallmuster und der darauffolgenden Therapien sind in den Tabellen S5 und S6 des Anhangs zu finden. Das rezidivfreie Überleben nach drei Jahren betrug 85,3% (95% KI, 80-89,3) in der ICT Gruppe verglichen mit 76,5% (95%KI, 70,4-81,5) in der Standardtherapiegruppe. (Stratifizierte Hazard Ratio für Rezidive und Todesfälle siehe Tabelle 2 und Bild 2A)

Zum Zeitpunkt der Analyse waren 18 von 242 Patienten (7,4%) in der ICT Gruppe gestorben und 35 von 238 (14,7%) der Patienten der Standardtherapiegruppe. Details bezüglich der Todesursache werden in der Tabelle S5 im Anhang ergänzt. Die Patienten der ICT Gruppe hatten ein verbessertes Gesamtüberleben nach 3 Jahren als jene der Standardtherapiegruppe (94,6% 95% KI 90,6-96,9 vs. 90,3% (95% KI 85,6-93,5); Statifizierte Hazard Ratio für den Todesfall 0,43, 95% KI 0,24-0,77, Tabelle 2 und Bild 2B)

Das fernmetastasenfreie Überleben nach drei Jahren war besser in der ICT Gruppe als in der Standardtherapiegruppe (91,1%, 95%KI 86,4-94,2 vs. 84,4%, 95%KI 79,1-88,5); Stratifizierte Hazard Ratio für Fernmetastasenrezidive oder Versterben: 0,43, 95%KI, 0,25-0,73, Tabelle 2 Bild 2C

Das lokalrezidivfreie Überleben nach drei Jahren war jedoch in beiden Gruppen ähnlich.

91,8% 95%KI, 87,3-94,7 vs. 91,0%, 95% KI 86,2-94,0 bzw. stratifizierte Hazard Ratio für Lokalrezidiv oder Versterben 0,77, 95% KI, 0,42-1,41, Tabelle 3 Bild 2D

 

Nebenwirkungen

 

Während der ICT hatten 93 von 239 Patienten (38,9%) akute Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 (siehe Tabelle S4 des Anhangs)

Neutropenie war dabei die häufigste Nebenwirkung mit 49 Patienten (20,5%) gefolgt von Leukopenie mit 26 Patienten (10,9%) und Erbrechen bei 26 Patienten (10,9%)

Über den gesamten Verlauf der Therapie hindurch klagten 181 Patienten (75,7%) in der ICT Gruppe und 132 (55,7%) in der Standardtherapiegruppe über Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 (Tabelle 3) Die Mucositis war dabei die häufigste Nebenwirkung vom Grad 3 oder 4 (69 Patienten, 28,9%) in der ICT Gruppe und 76 (32,1%) in der Standardtherapiegruppe. Die ICT Gruppe wies eine höhere Inzidenz auf als die Standardtherapiegruppe in Bezug auf Grad 3 oder 4 Neutropenie: 67 (28,0%) vs. 25 (10,5%), Thrombozytopenie: 27 (11,3%) vs. 3 (1,3%, Anämie: 23 (9,6% vs. 2 (0,8%), Übelkeit: 55 (23,0%) vs. 33 (13,9%), Erbrechen: 54 (22,6%) vs. 33 (13,9%).

Die ICT Gruppe wies auch eine höhere Inzidenz von nephrotoxischen Nebenwirkungen vom Grad 1 oder 2 als die Standardtherapiegruppe. (46 (19,2% vs. 27 (11,4%)) bei ototoxischen Effekten wie Taubheit oder Otitiden verhielt es sich jedoch wie folgt: 172 (72,0%) vs. 178 (75,1%)

Die Inzidenz aller toxischer Spätfolgen vom Grad 1 oder 2 betrug 84,9% (203 von 239Patieten) in der ICT Gruppe und 87,8% (208 von 237) in der Standardtherapiegruppe. Insgesamt hatten 9,2% der Patienten (22 von 239) in der ICT Gruppe und 11,4% der Patienten der Standardtherapiegruppe (27 von 237) einen oder sogar mehrere toxische Spätfolgen vom Grad 3 oder 4.

(Tabelle 3)

Die Inzidenz toxischer Spätfolgen war ähnlich in beiden Behandlungsgruppen mit der Ausnahme von peripheren Neuropathien vom Grad 1 und 2, deren Inzidenz in der ICT Gruppe höher war als in der Standardtherapiegruppe 8,8% vs. 1,7%)

 

Diskussion

 

Wir berichten über die Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Phase 3 Studie, welche die überlegene Tumorkontrolle und das überlegene Überleben durch die Zugabe einer ICT zur RCT demonstriert in einer ausgewählten Kohorte von Patienten mit lokoregionär fortgeschrittenem Hochrisiko-NPC.

Der Großteil der Patienten wies prognostisch ungünstige Charakteristika auf wie etwa einen N2 oder N3 LK-Status oder großvolumige Priamarii, welche allesamt Surrogatparameter für okkulte Fernmetastasen darstellen. Die Effektivität der ICT war wegen der geringeren Inzidenz von Fernmetastasenrezidiven in der ICT Gruppe gegenüber der Standardtherapiegruppe (besser), was vermutlich den frühen Gesamtüberlebenvorteil bei den Patienten der ICT Gruppe erklärt. Das rezidivfreie Überleben nach drei Jahren betrug 85,3% in der ICT Gruppe und 76,5% in der Standardtherapiegruppe, was mit dem Gesamtüberleben nach drei Jahren korrespondiert, welches um 4,3% höher lag in der ICT Gruppe als in der Standardtherapiegruppe.

Dieser klinische Vorteil wurde offenkundig, als die Outcomes der beiden Behandlungsgruppen analysiert wurden bei Patienten, welche den geplanten Behandlungsverlauf abgeschlossen hatten. (3 Zyklen Chemotherapie plus 2-3 Zyklen RCT mit begleitender Cisplatingabe vs. 3 Zyklen Radiotherapie mit begleitender Cisplatingabe allein)

Unter den Patienten mit Krankheitsrezidiven oder Metastasen, wurden objektive Ansprechraten von 64% und 91% (komplettes und teilweises Ansprechen zusammengenommen) beobachtet unter Gabe von Gemcitabine und Cisplatin zusammen ohne weitere Medikamente oder zusammen mit dem Zusatz von Camrelizumab (Anti PD 1 Immun Checkpoint Inhibitor)

Yau und Kollegen fanden ebenso, dass drei Zyklen einer ICT mit Gemcitabine und Cisplatin höhere Ansprechraten (>90%) erzielte bei Patienten mit lokoregionär fortgeschrittenen Befunden. Unsere Ergebnisse stehen im Widerspruch zu ähnlichen Studien durchgeführt von Tan et al., in denen die kombinierte Gabe von Gemcitabine, Carboplatin und Paclitaxel weder das progressionsfreie Überleben noch das Gesamtüberleben verbessert haben. Verschiedene Erklärungen mögen hierfür dienen, darunter die Tatsache, dass in der Studie von Tan et al. eine Kohorte mit günstigeren Charakteristika war. (weniger Patienten mit N2 oder N3 LK-Status als in der vorliegenden Studie) Hinzu kommt, dass die Verwendung von niedrig dosiertem Carboplatin (Fläche unter der Kurve, 2,0) den Synergismus mit Gemcitabine kompromittiert haben mag. Die Verbesserungen im rezidivfreien Überleben nach drei Jahren waren ähnlich zwischen den Patienten, welche die ICT mit Gemcitabine und Cisplatin erhalten haben (Unterschied zur Standardtherapiegruppe 8,8%) und jene die Doxetacel, Cisplatin und Fluorouracil bekamen (Unterschied zur Standardtherapie 8,0%) Es bleibt unklar ob diese Therapieregime sich bezüglich Effektivität und Toxizität signifikant unterscheiden. Wir haben eine höhere Gesamtinzidenz akuter Nebenwirkungen in der ICT Gruppe festgestellt, als in der Standardtherapiegruppe, besonders die Inzidenz schwerer Neutropenien, von Thrombozytopenie, Übelkeit und Erbrechen waren in der ICT Gruppe höher. Die Inzidenz akuter nephrotoxischer Nebenwirkungen vom Grad 1 oder 2 war ebenfalls höher in der ICT Gruppe mit der höheren kumulativen Dosis an Cisplatin, obwohl die Häufigkeit nephro- und ototoxischer Spätfolgen in beiden Gruppen ähnlich waren – mit Ausnahme von peripheren Polyneuropathien vom Grad 1 und 2. Die Inzidenz schwerwiegender Spätkomplikation war in beiden Gruppen niedrig und wir haben keine behandlungsassoziierten Todesfälle registriert. In unserer vorangegangenen Chemotherapiestudie in der die Kombination aus Docetaxel, Cisplatin und Fluorouracil untersucht wurde, beobachteten wir eine hohe Inzidenz von Neutropenie (35,5%), Leukopenie (27,2%) sowie Diarrhoe (8,0%) je vom Grad 3 bis 4 trotz der modifizierten Dosierungen (je um 20% reduziert verglichen mit den anderen Studien); in jener Studie hatten 4 Patienten (2%) leukopenes Fieber und ein Patient starb an neutropener Sepsis (Tabelle S7) Mangels vergleichbarer Daten könnte die Wahl bei einer ICT getroffen werden zwischen einem Regime mit Gemcitabine oder mit einem Taxan jeweils anhand der erwarteten Nebenwirkungen einerseits und im Hinblick auf den Patienten mit dessen Status und mit seinen Begleitumständen andererseits.

Abschließend lässt sich sagen, dass die (vorgeschaltete) Zugabe einer ICT mit Gemcitabine und Cisplatin zur folgenden Haupttherapie der RCT mit Cisplatin alle drei Wochen, das rezidivfreie Überleben bei Patienten mit lokoregionär fortgeschrittenem NPC verbessert. Dieses Ergebnis spiegelt sich in Form von 4,3% Verbesserung im Überleben nach 3 Jahren gegenüber der Standardtherapie wider – allerdings auf Kosten einer höheren Inzidenz von Nebenwirkungen.


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